Sergei Sergejewitsch Prokofjew (1891-1953):

Bludnyi Syn [Блудный сын]

deutsch Der verlorene Sohn / englisch The Prodigal Son / französisch L'Enfant prodigue

Allgemeine Angaben zum Ballett

Anlass: Auftrag von Sergei Diaghilew
Entstehungszeit: 1928-29
Uraufführung: 21. Mai 1929 in Paris (Théâtre Sarah-Bernhardt)
Choreographie: George Balanchine
Ausstattung: Georges Rouault
Ensemble: Diaghilews Ballets Russes
Ausführende: Serge Lifar, Félia Dubrowska, Michael Federow, Léon Woizikowsky, Anton Dolin
Besetzung: Orchester
Spieldauer: ca. 35 Minuten
Verlag: London: Boosey & Hawkes, 1978
Melville, N.Y.: Belwin, 1980 (Klavierauszug des Komponisten)
Bemerkung: Von der Erzählung der Bibel weicht der zweite Akt erheblich ab. Es wird nicht moralisiert, sondern die Handlung gerät zur Groteske, so wie es die russischen Komponisten in ihren Bühnenwerken lieben. Der Auftritt der Sirene ist in der Bibel nicht vorgesehen, für das Ballett aber zwingend notwendig. Die expressiven Klänge Prokofjews zu den orgiastischen Tänzen faszinieren durch ihre Disharmonie ungemein. Den missgünstige Bruder hat der Librettist aus dem Handlungsteil des dritten Aktes entfernt.

Das Werk entstand kurz vor Prokofjews Rückkehr in die Heimat und wurde von Diaghilews Ballets Russes kurz vor der Auflösung der Truppe noch einstudiert. Der Erfolg war immens.
Opus: op. 46

Kaufempfehlung

CD: Klassika CD-Kaufempfehlung bei jpc
[Details]
The Prodigal Son op.46 (Chandos, DDD, 1989)
Serge Prokofieff (1891-1953)

U. Schreiber in stereoplay 5/90:"...die Ein-spielung geriet musikalisch und klangtechnischhervorragend."

Zum Ballett

Art: Ballett in drei Szenen
Libretto: Boris Kochno frei nach dem Lukas-Evangelium
Ort: das Heilige Land
Zeit: zu biblischen Zeiten

Personen der Handlung

Der verlorene Sohn
Der Vater
Die beiden Schwestern
Zwei Freunde
Eine Verführerin namens Sirene
Zechkumpane
Zwei Diener

Handlung

Erster Teil:

Man kann es auch positiv sehen, wenn es einen jungen Mann drängt, die weite Welt kennen zu lernen, anstatt lebenslang die Hammelherde seines Vaters zu hüten. Seine beiden Freunde haben ihm erzählt, dass in den Tempeln Kanaans hübsche Mädchen zur Liebe bereit sind und gegen Lohn geheime Wünsche erfüllen. Der Vater hat natürlich kein Verständnis für solchen Unsinn, weil der Junge als Arbeitskraft zu Hause gebraucht wird. Er soll eines Tages Hof und Herde übernehmen, und in der weiten Welt kommt er nur auf dumme Gedanken. Die beiden Schwestern heulen Rotz und Wasser, weil sie am liebsten mitkommen möchten. Der Entschluss des jungen Mannes ist unabänderlich, und dem Vater bleibt nichts anderes übrig, als ihn mit Barmitteln auszustatten, damit der Liebling einen guten Start hat, um etwas Eigenes aufzubauen. Den Ausreißer lockt eher das Abenteuer, um mit der Waffe in der Hand schnell zu Vermögen zu kommen. Der Abschied fällt schwer. Wird er hin und wieder zu Besuch kommen?

Zweiter Teil:

Die drei Freunde begeben sich auf die Wanderschaft und treffen auf ein Zelt. Es handelt sich um ein getarntes Spielkasino mit bescheidener Ausstattung. Spielautomaten gibt es keine, nur Würfel. Eine Blaskapelle mit Tam Tam spielt zum Tanz auf und im Ausschank gibt es süffigen Wein. Die obskure Gesellschaft begegnet den drei Grünschnäbeln zunächst mit Argwohn. Doch das Misstrauen schwindet schnell, da die Ankömmlinge sich als ungewöhnlich gastfreundlich erweisen. Bald fließt der Wein für alle und es lockern sich die Beine zu orgiastischer Tanzlust. Eine Schöne, von allen Sirene genannt, tritt auf, um sich an den Fremdling, der das große Geld in der Tasche hat, heranzumachen.

Sie tanzt lustbetont und beteuert dem unerfahrenen Jüngling ihre heiße Liebe. Um ihre erotischen Reize zu unterstreichen, hat der Kostümbildner der Zeltherrin zum roten Samtmantel noch einen hohen roten Hut aufgesetzt. Unser Ausreißer ist große Mengen von Alkohol nicht gewohnt – der Geist lässt nach und die Müdigkeit meldet sich an. Logisch, dass einem Schlafenden, der Vermögen mit sich herumträgt, die Taschen ausgeleert werden. Es ergeben sich Verteilungskämpfe unter den Räubern, bei der die Zelteinrichtung in Mitleidenschaft gezogen wird. Die beiden Freunde lassen sich nicht aussperren, mischen mit und Sirene will natürlich auch ihren Anteil. Im Dämmerzustand bekommt der Verprügelte noch mit, dass man ihm die Kleider auszieht, denn auch getragene Textilien gehören zur Beute und lassen sich auf dem Markt verkaufen. Tatsächlich fühlt der Enttäuschte sich nun wie ein „verlorener Sohn“. Dabei wollte er nur Freunde gewinnen und hatte es gut gemeint. Sein erstes Abenteuer hat er hinter sich gebracht und die Erfahrung gemacht, dass die Welt böse ist. Sirenes Liebe hatte keinen Bestand, sie entschwindet ohne Abschied. Im geschützten Zelt des Vaters ist es noch immer am Schönsten. Der Reumütige gibt seiner Depression tänzerisch Ausdruck.

Dritter Teil:

Das Geld ist alle und jetzt nichts wie nach Hause! Der Fußmarsch über Stock und Stein ist anstrengend und die Füße bluten. Nachts ist es in der Wüste lausig kalt, und tagsüber brennt die Sonne unbarmherzig auf die nackte Haut. Bis zum Zelteingang der väterlichen Behausung reichen noch die Kräfte, dann sackt der unfreiwillige Wanderer zusammen.

Ja ist er es wirklich? Der Kleine ist zurückgekommen. So schnell hatte man ihn nicht erwartet. Die lieben Schwestern finden ihn in erbarmungswürdigem Zustand am Zelteingang. Der Vater kommt herbei und schließt den verzogenen Balg in seine Arme.


Letzte Änderung am 26.12.2016
Beitrag von Engelbert Hellen